KANN KOMPRESSIONSBEKLEIDUNG IM SCHWIMMSPORT ZUR SCHNELLEREN REGENERATION (NACH DEM WETTKAMPF) BEITRAGEN?

Raguzzoni M., Campa F., Servadei S., Cortesi M., Gatta G., Piras A.,

School of Pharmaceutical Science, Biotechnologie & Motor Wissenschaften an der Universität Bologna


ZUSAMMENFASSUNG

Die funktionelle Wirkung von „graduated compression“ („abgestufte“ Kompressionsbekleidung) ist schon seit einiger Zeit in der Gefäßmedizin bekannt und wird dort entsprechend angewandt. Der Begriff "graduated" bedeutet, dass die Bekleidung hergestellt wurde, um Randbereiche des Körpers mit zunehmender Wirkungsintensität zu versorgen (gemessen in mmHg), während sie sich, je näher es dem Herzen zu geht, allmählich verringert. Elastische Knietrümpfe beispielsweise weisen die stärkste Kompression am Fuß, weniger an der Wade und noch weniger am Oberschenkel auf. Diese Eigenschaften werden auch im sportlichen Bereich bereits seit einiger Zeit genutzt.

Der folgende Artikel beschreibt eine Studie zur Verwendung dieser Kleidung, um die Regeneration von Schwimmern nach einem Wettkampf zu unterstützen.


KOMPRESSIONS-SCHWIMMBEKLEIDUNG UND SPORT

Mannschaft trugen während des Turniers Gummistrümpfe, um ihre Leistung durch bessere Sauerstoffzufuhr und eine geringere Produktion von Giftstoffen in der Wadenmuskulatur zu verbessern. Das rief großes Interesse an dem Thema hervor und schon bald hatte sich die Methode in verschiedenen sportlichen Disziplinen verbreitet. Die vielen Meinungen bezüglich der Wirkungsweise und der korrekten Anwendungen dieser Art von Kleidung, führten allerdings zu einiger Verwirrung. Auch die Vielzahl an Forschungen zu diesem Thema - bis zum Jahr 2013 sind mehr als 500 Werke von wissenschaftlichem Interesse veröffentlicht worden – trugen aufgrund der zahlreichen Aspekte nicht zu einem einfacherem Verständnis bei; wie z.B.:
- Die Art der getragenen Kleidungsstücke (31 verschiedene Studien mit Trikots, Strumpfhosen, Neoprenanzügen, Stulpen, kurzen Hosen, Socken und Leggings),
- Der Grad der Kompression (mit Näherungswerten zwischen 10-40 mmHg),
- Sportart und Dauer der untersuchten Aktivität (Kraftsport, Ausdauersport, Kontaktsportarten etc.),
- Der Verwendungszweck (vor/während/nach dem Wettkampf oder während des Trainings)
- Die passenden Indikatoren, um den Ermüdungsgrad und die damit möglicherweise verbundene Wirkung des Funktionsmaterials zu überprüfen.

Verschiedenen Autoren nach zu urteilen, führt das Tragen von Kompressionsbekleidung während des Wettkampfs nicht zu einer Verbesserung der Leistung (Doan 2003 Duffield 2008 Ali 2010). Gegeneinander antretende Athleten nehmen zwar eine bessere Tiefensensibilität für ihre Bewegungen und weniger muskulöse Vibrationen wahr, bezüglich der Qualität und Leistungsfähigkeit ließen sich aber nur geringe Auswirkungen nachweisen. Darüber hinaus sind die Wettbewerbsvorteile, die durch das Tragen dieser Kleidung ermöglicht werden sollen, Gegenstand vieler ethischer Debatten. Dies gilt vor allem im Radsport und in der Leichtathletik, da der Kompression nachgesagt wird, "unnatürliche" mechanische Wirkungen auf die körperliche Leistung einer Person zu haben. In Abhängigkeit von der Intensität und Dauer der Aktivität scheint es sinnvoll zu sein, die Kompressionsbekleidung während besonders anstrengenden und verlängerten Trainingseinheiten, die das Muskelsystem erheblich beanspruchen, zu tragen (Chatard 2008). In der vorwettbewerblichen Phase ist sie offenbar weniger sinnvoll, da die Wirkung vor allem auf die Aufrechterhaltung der Körperwärme abzielt.
Die interessantesten Angaben stammen aus Studien, bei denen die Kompressionsbekleidung zur Unterstützung in der Regenerationsphase nach einem Wettkampf getestet wurde (Jakeman 2010 Born, 2013).


REGENERATION UND KOMPRESSIONS-SCHWIMMBEKLEIDUNG

In der Trainingsmethodik wird zwischen drei Arten der Erholung nach sportlicher Aktivität unterschieden, die anhand der Dauer klassifiziert werden: die sofortige Erholung: Sie ist während der Pausen, die der Sportler zwangsläufig im Training wiederholt, um seine motorischen Fähigkeiten wiederherzustellen, zu beobachten. Beim Schwimmen kommt es durch den natürlichen zyklischen Antrieb zum ständigen Wechsel zwischen Muskelkontraktionen und Entspannung, wobei Letzteres zu sofortiger Erholung führt.
Die kurzfristige Erholung: Sie spielt eine sehr wichtige Rolle in Ruhephasen während eines Blocks beim Intervalltraining. Die kurzfristige Erholung beinhaltet außerdem sämtliche Parameter, die in erster Linie Stress, der durch physische Bewegung entsteht, entgegen wirken.
Die Trainingsregeneration: Sie richtet den Fokus auf die angesammelten, nicht verarbeiteten Stressfaktoren und die chronischen Auswirkungen des Trainings.

Schwimmer stehen vor dem Problem, sich schnell von Anstrengungen – die sie in einem kurzen Zeitfenster und in verschiedenen Phasen des Wettbewerbs ausführen – erholen zu müssen. Daher richtet sich das Problem auf kurzfristige Erholung, welche wiederum vom individuellen Trainingsniveau abhängig ist und welche die körperliche Verfassung für etwa 1,5-2 Stunden nach dem Wettkampf in einen anderen Zustand versetzt. Hinzu kommen weitere Stressfaktoren, die durch kurzfristige Trainingseinheiten in den Tagen nach dem ersten Rennen verursacht werden.

Die im Schwimmsport am häufigsten verwendeten Erholungs-Praktiken sind die aktive Regenerationsmethode (Toubekis, 2005/2006/2008), mit Übungen/Stretching und Abkühlungs-Schwimm-Einheiten sowie die passive Erholung mit verschiedenen Massageanwendungen. Andere Techniken werden gerade erprobt, wie elektrische Stimulation (Neric 2009), Warm-/Kaltbäder und die Verwendung von Kompressionsbekleidung. Bei letzterer Methode war die Wahl der verwendeten Materialen bisher hauptsächlich davon bestimmt, was der Markt für den Radsport bot. Trotz der technologischen Entwicklungen in diesem Bereich zwar es letztlich aber unumgänglich, ein spezifisches Material für Schwimmer zu erforschen. Dabei mussten die besonderen Eigenarten des Schwimmens berücksichtigt werden, wie beispielsweise der nicht unerhebliche Einfluss der Schwerkraft, wenn die Position des Sportlers von einer aufrechten in eine horizontale Lage wechselt. Die italienische Schwimmsportmarke arena verwendete zwei Jahre auf die Erforschung ihres eigenen Kompressionsanzugs. Das Ergebnis dieser Forschung wurde in den Laboren der Universität von Bologna getestet.


DER TEST

Das Testprotokoll beinhaltet die Beobachtung verschiedener Erschöpfungsanzeichen und deren Entwicklung von zwölf erfahrenen Schwimmern, die einen Schwimmtest über max. 400m Kraulen absolvierten. Der Test wurde an zwei verschiedenen Tagen durchgeführt (Powerskin Recovery Compression, arena, Macerata, Italien), einmal mit und einmal ohne Kompressionsbekleidung. Ziel war es, zu überprüfen, ob das Tragen der Funktionskleidung während der Erholungsphase bei den überwachten Parameter – unter Berücksichtigung von Kontrollbedingungen, wie z.B. wenn die Kleidung nicht getragen wird – zu Schwankungen führt (statistisch signifikant: p> 0,05). Ein Ausgangswert wurde vor jedem Test festgelegt, d.h. der Körper wurde 15 Minuten lang, kontinuierlich, im absoluten Ruhezustand, bei angenehmer Temperatur, sanfter Beleuchtung und ohne störende Geräusche überwacht.

Die betrachteten neuro-physiologischen Parameter waren hämodynamische Parameter (Druck, Volumen, Strömungen, Widerstand) und autonome Nervensystem-Parameter (sympathische/parasympathische Wirkung).
Nachdem die Ausgangswerte der Testpersonen festgelegt wurden, folgten ein Standard-Aufwärmprogramm und schließlich ein Schwimmtest über max. 400m, wobei die Stoßfrequenzen und -zeiten (gesamt und partiell) gemessen wurden. Sobald der Test abgeschlossen war, haben sich die Probanden wieder in den Ruhezustand begeben und wurden während der Erholungsphase überwacht. Wie oben bereits beschrieben, wurden die gleichen Probanden unter Anwendung des gleichen Verfahrens an zwei verschiedenen Tagen, mit und ohne Kompressionsbekleidung, getestet. Einige der wichtigsten Parameter, der unter den Probanden festgestellten Trends, werden hier beschrieben.

Die erste und zweite Grafik beschreibt die Blutdruckdynamik. In allen Diagrammen bezeichnet der erste Schritt auf der y-Achse den Ausgangswert. Die Zeit-Achse ist in die 4 Erholungsphasen gegliedert, die nach der Schwimmaufgabe untersucht wurden - von 20-30 min, 40-50 min, 60-70 min und 80-90 min. Die blauen Balken zeigen die Durchschnittswerte der während des Kontrolltages (ohne Kompressionsbekleidung) aufgezeichneten Parameter an und die roten Balken beziehen sich auf den Tag, an dem die Athleten die Kompressionsbekleidung trugen.

Grafik 1 bildet die systolischen Druckdaten (x-Achse in mmHg) ab. Die Probanden starten mit einem gleichen Ausgangswert. Nach der Durchführung des Schwimmtests, ist der durchschnittliche systolische Druck derer, die keine Kompressionsbekleidung bei der ersten Überwachung trugen (20-30 Minuten) auf etwa 90 mmHg gesunken.

systolischen Druckdaten - Grafik 1systolischen Druckdaten - Grafik 1

Nach intensiver körperlicher Betätigung gehen die Druckwerte zurück (siehe Grafiken) und erreichen nach ca. 80-90 Minuten den Ausgangswert. Das Diagramm zeigt, wie die Differenz zwischen den Basisdruck-Werten und den Regenerations-Kontrollphasen in den ersten drei Stufen statistisch unterschiedlich sind, während dieser Unterschied nicht signifikant ist, wenn die Kompressionsbekleidung getragen wird.

Grafik 2 zeigt den Trend für den diastolischen Druck.

diastolischen Druckdaten - Grafik 2diastolischen Druckdaten - Grafik 2

Sobald die Trainingseinheit beendet ist, sinkt der diastolische Druck in der Kontrollgruppe um 50 mmHg. Danach folgt eine ähnliche Kinetik wie beim systolischen Druck, jedoch mit deutlichen Unterschieden gegenüber dem Ausgangszustand in den ersten zwei Stufen.

Die in den Grafiken 1 und 2 dargestellten Trends zeigen, wie die mechanische Wirkungsweise der Kleidung es schafft, das Drucklevel "unverändert" zum Ausgangswert zu halten und den homöostatischen Vorgang bei der Post-Trainings-Regeneration unterstützt.

Grafik 3 zeigt die NN50 Kinetik. Dieser Parameter macht das Eingreifen des Parasympathikus deutlich, welches im Zeitbereich des Herzfrequenzvariabilitäts-Parameters gemessen wird. Die Herzfrequenzvariabilität (HRV) ist die natürliche Variation in der Zeit zwischen den Herzschlägen. Sie ist auch als RR-Variabilität bekannt, wobei R den Scheitelwert des QRS-Komplexes einer EKG-Welle darstellt und RR den Abstand zwischen zwei R-Spitzen. Der Parameter NN50 gibt die Anzahl der aufeinanderfolgenden Intervalle (RR) mit einer Differenz von mehr als 50 Millisekunden an. Die Analyse dieser Parameter ist ein Verfahren zur Beurteilung des Zustands von Regulationsmechanismen für physiologische Funktionen im menschlichen Körper. Der Ausgleich dieser Systeme (sympathisches und parasympathisches) bestimmt die Kapazität und die Art der Anpassung an einen externen Stimulus, auch als Stressreaktion bekannt. Anpassung, sei sie positiv oder negativ, ist eine Funktion des Störungslevels dieser Mechanismen.

NN50 Kinetik - Grafik 3NN50 Kinetik - Grafik 3

Den Trend macht die Grafik sichtbar: In den ersten zwei Stufen der Regeneration ist der Unterschied zum Ausgangswert unter beiden Bedingungen signifikant (mit/ohne Funktionskleidung), in der dritten Stufe (60-70 min nach dem Training) bleibt er jedoch nur signifikant unter der Bedingung, dass keine Kompressionsbekleidung getragen wurde. Dies bedeutet, dass diejenigen Probanden, die das Funktionsmaterial tragen, in kürzerer Zeit zum Ausgangswert zurückkehren, als diejenigen, die es nicht tragen. Die mechanische Wirkung der Kompression scheint die parasympathische Herztätigkeit zu beeinflussen, die das Herz wieder in den Ruhezustand versetzt, indem sie die Herzfrequenz (vagal action) reduziert.


WESENTLICHE ÜBERLEGUNGEN

Die beobachteten Parameter zeigen Trends einer kurzfristigen Erholung auf. Insbesondere hämodynamische Faktoren wiesen bei den Testpersonen Veränderungen auf und eine Aktivierung des autonomen Nervensystems, um den Körper wieder in den Normalzustand zu bringen, liegt offensichtlich vor. In diesem Zustand scheint das „graduated“ (abgestuft) Funktionsmaterial eine bedeutende unterstützende Rolle zu spielen.

Die Ergebnisse der Studie, die an der Universität Bologna durchgeführt wurde, zeigen, dass das Tragen der Kompressionsbekleidung eine um etwa 20 Minuten schnellere Regeneration nach intensiver Schwimmleistung bewirkt.

BIBLIOGRAPHIE

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Taken from: La Tecnica del Nuoto 2015
Editrice Aquarius Verona